Wissenschaft zum Mitnehmen?

Von Jana Zitterich, Rebekka Schmidt & Celina Hellmich.

Es gibt viele Wege, Wissenschaft zu kommunizieren, doch vor allem Blogs sind heute eine sehr beliebte Form des wissenschaftlichen Publizierens (vgl. Ball 2020: 121). Doch warum sind Wissenschaftsblogs in unserer gegenwärtigen Gesellschaft so relevant und viel genutzt? Der Hauptgrund wird hier wohl sein, dass Blogs für jeden Interessierten problemlos zugänglich sind, ob es sich um Lai:innen oder wissenschaftliche Peers handelt. Sie sind in den meisten Fällen kostenlos und aufgrund ihrer digitalen Natur stets und überall abrufbar. Dies ist vor allem für interessierte Lai:innen ein großer Vorteil und spricht für die Nutzung von Blogs, da durch sie ein einfacher Austausch zwischen der Wissenschaft und der Öffentlichkeit möglich wird. Vorbei sind die Tage schwerer Fachwälzer und des unnahbaren „Elfenbeinturm[s]” (Schäfer et al. 2015: 15). Über Blogs können Wissenschaftler:innen ihre Erkenntnisse mit einem breiten Publikum teilen, Diskussionen in Gang bringen und ihre Forschung rechtfertigen. 

Doch decken sich diese Vorannahmen auch mit der digitalen Realität? In unseren Seminararbeiten haben wir Wissenschaftsblogs unter die Lupe genommen und uns dabei von folgenden Forschungsfragen leiten lassen: Was definiert einen Wissenschaftsblog als solchen? Findet in Wissenschaftsblogs maßgeblich interne oder externe Wissenschaftskommunikation statt? Und unterscheiden sich die Ergebnisse je nach wissenschaftlicher Disziplin?

Wissenschaftsblogs als dialogorientierte Kommunikationsform?

Trotz seiner Popularität gibt es keinen festgelegten Kriterienkatalog dafür, was einen Wissenschaftsblog (folglich: WB) ausmacht. So stellt Loviscach den wissenschaftlichen Bezug der Texte in den Vordergrund (vgl. Loviscach 2023: 107), während Heinicke die Autor:innen und deren „qualifizierten wissenschaftlichen Hintergrund“ (Heinicke 2020: 30) als Kriterium nennt. Zentral für WBs sei jedoch stets die Intention, „wissenschaftliche Inhalte wechselnden Zielgruppen von Nicht-Spezialisten [zu] erklären“ (Könneker 2017: 465). Dass mittels WBs neben internen wissenschaftlichen Peers und Expert:innen („Scholarly Communication“; Schäfer et al. 2015: 13) auch explizit ein externes Lai:innen-Publikum („Science Communication“) angesprochen wird, fasst das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zusammen: So wird die hinter den Blogs stehende Wissenschaftskommunikation (folglich: WK) als „allgemeinverständliche, dialogorientierte Kommunikation und Vermittlung von Forschung […] an Zielgruppen außerhalb der Wissenschaft“ (BMBF 2019: 2) definiert. Insbesondere die Digitalisierung bietet Möglichkeiten des Austauschs und der aktiven Teilnahme an Wissenschaft, Interaktion und Publikation (vgl. Könneker 2017: 454); auch die häufig bereitgestellte Kommentarfunktion fördert den direkten kommunikativen Dialog zwischen Leser:innen und Autor:innen und trägt maßgeblich zur Verankerung der Wissenschaft in der Öffentlichkeit bei (vgl. Meyen 2020: 6).

Für eine umfangreichere Analyse wurde die Online-Plattform Scilogs verwendet, die mit aktuell 38 verschiedenen Blogs und der daraus resultierenden großen Bandbreite an Disziplinen den „interdisziplinären Dialog über Wissenschaft in all ihren Fassetten [sic]“ (Admin [username] 2014) fördert. In den Seminararbeiten wurden im Zuge der Interdisziplinarität zwei Blogeinträge als Fallstudien gewählt: Mit dem Blog „Hirn und Weg” wurde ein naturwissenschaftlicher Schwerpunkt gewählt, mit „Semantische Wettkämpfe“ ein geisteswissenschaftlicher; beide wurden einem kriteriengeleiteten Vergleich unterzogen.

Schwerpunkte der Analyse

Der Untersuchung wurden drei Kriterien (Textgestalt, Wissenschaftlichkeit, Publikumskommunikation) zugrunde gelegt, die sich grob an Loviscach (2023) orientieren. Zunächst wurden thematische, sprachliche und mediale Gestaltungselemente der Texte untersucht, um dann ihrer Wissenschaftlichkeit nachzuspüren. Anschließend wurden unter dem Stichwort Publikumskommunikation all jene kommunikativen Aspekte untersucht, in denen die Autor:innen ggf. mit ihrer Leserschaft in Kontakt treten. Abschließend fand ein Vergleich der zentralen Erkenntnisse beider Blogs statt und es wurde geprüft, welcher wissenschaftskommunikativen Perspektive (interne oder externe Kommunikation) sie mit ihren Texten am ehesten entsprechen.

Natur- und geisteswissenschaftliche Wissenschaftskommunikation im Vergleich

Die Ergebnisse zeigten: Beide Blogs setzen WK auf ihre eigene Art und Weise um. In Bezug auf die Fragestellung lässt sich festhalten, dass sich der naturwissenschaftliche Blog „Hirn und Weg” in unserem Fallbeispiel mit seinem Beitrag viel eindeutiger an externer WK – der Science Communication – orientiert und den Dialog mit einem Publikum außerhalb der Wissenschaft sucht. Dies wird vor allem an der voraussetzungsfreien Sprache und der Vermittlung alltagsrelevanter Inhalte deutlich. Den Rahmen bilden zwar entschieden wissenschaftliche Logiken und Kriterien, diese werden aber – zum Beispiel durch Definition von in der Wissenschaft gängigen Begriffen – adressatenspezifisch so angepasst, dass sie einer breiten Leserschaft zugänglich werden. Wissenschaft präsentiert sich hier als Brücke, um Wissensasymmetrien zwischen Expert:innen und Lai:innen zu überwinden. Mit der Wahl eines deutschsprachigen Blogs wird im naturwissenschaftlichen Beitrag außerdem das eigene Fachpublikum als Zielgruppe stark eingeschränkt; dazu passt auch, dass der Autor nicht anzunehmen scheint, dass innerhalb der Leserschaft ein Interesse an der Überprüfbarkeit der von ihm zitierten Studienergebnisse (die im Übrigen nicht seine eigenen sind) besteht, da er hierfür die entsprechenden Rohdaten nicht mitliefert.

Die Zielsetzung der „Semantische[n] Wettkämpfe“ ist in dem von uns analysierten Beispieltext wesentlich uneindeutiger. Einerseits versucht auch dieser Blog durch Begriffserklärungen und Beispiele einen niedrigschwelligen Textzugang zu ermöglichen. Vollständig gelingt ihm dies aber nicht, da sowohl durch die zitierten Quellen als auch die komplexere, teils englische Sprache Zugangshürden entstehen. In Bezug auf wissenschaftliche Logiken ist dieser Text zwar weniger schematisch und formalisiert – es gibt keine explizit gemachten, zu überprüfenden Hypothesen und Fragestellungen – folgt damit aber durchaus den Konventionen seiner eigenen Disziplin. Am ehesten handelt es sich bei diesem Blogbeitrag wohl um eine Mischung aus externer und interner WK. Martina Franzen (2018: 15) bezeichnet dieses Gemisch in Bezug auf Weblogs als eine „Verwischung der Grenzen zwischen wissenschaftsexterner und wissenschaftsinterner Kommunikation“. Dialogizität mit der Leserschaft wurde an keiner Stelle explizit gefördert. Der Verdacht liegt dabei nahe, dass der geisteswissenschaftliche Blog stärker repräsentative Funktionen erfüllen soll als der naturwissenschaftliche – entsprechend gibt der Autor auch einen direkten Einblick in seine eigene Forschung, es könnte ihm somit vielmehr um Kommunikation mit und Sichtbarkeit unter Fachkolleg:innen gehen.

Fazit

Wir konnten nachweisen, dass sich disziplinübergreifend ein vielfältiges Bild der Funktionalität von wissenschaftlichen Onlineblogs zeigt und Flexibilität im Umgang mit ihnen besteht. Dass sich besonders der geisteswissenschaftliche Blog auch an der eingangs beschriebenen Scholarly Communication orientiert, deckt sich mit dem Befund Dörings (2017), nachdem vor allem Autor:innen im Bereich der Geisteswissenschaften in Onlineblogs immer öfter die Möglichkeit alternativer Publikationsorte sehen, über die sie verlagsunabhängig ihre Fachinhalte publizieren können. Mitunter werden sogar – wie bei digitalen Fachartikeln bereits üblich – DOIs für Weblogs gefordert, um sie dauerhaft zugänglich und somit für die interne Kommunikation nutzbar zu machen (vgl. Pampel 2023).


Literaturverzeichnis

admin [Username] (2014): Über SciLogs, in: Tagebücher der Wissenschaft, URL (Letzter Zugriff: 23.12.2024).

Ball, Rafael (2020): Wissenschaftskommunikation im Wandel. Von Gutenberg bis Open Science, Wiesbaden: Springer VS.

BMBF (2019): Grundsatzpapier des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Wissenschaftskommunikation. URL. (Letzter Zugriff: 23.12.2024)

Döring, Karoline (2017): Wissenschaftsblogs als Publikationsorte. Ein von den Geisteswissenschaften noch zu wenig genutztes Potential? URL (Letzter Zugriff: 23.12.2024).

Heinicke, Nora (2020): „Gemischtwarenladen“ Wissenschaftsblog? Eine textlinguistische Untersuchung der Musterhaftigkeit in Wissenschaftsblogs, Frankfurt am Main: Peter Lang.

 Könneker, Carsten (2017): Wissenschaftskommunikation in vernetzten Öffentlichkeiten, in: Heinz Bonfadelli et al. (Hrsg.): Forschungsfeld Wissenschaftskommunikation, Wiesbaden: Springer VS, S. 453–476.

Loviscach, Jörn (2023): Phänomene, Persona, Publikum des Wissenschaftsblogs, in: Sandra Hofhues, Konstanze Schütze (Hrsg.): Doing Research – Wissenschaftspraktiken zwischen Positionierung und Suchanfrage, Bielefeld: transcript, S. 106–112.

Meyen, Michael (2020): Präsentation in digitalen Medien: Wissenschaftsblogs, in: Stefan Selke et al. (Hrsg.): Handbuch Öffentliche Soziologie, Wiesbaden: Springer VS, S. 1–7.

Pampel, Heinz (2023): DOIs für Wissenschaftsblogs. Ein Interview mit Martin Fenner zu Rogue Scholar. URL (Letzter Zugriff: 23.12.2024)

Schäfer, Mike S. et al. (2015): Wissenschaftskommunikation im Wandel. Relevanz, Entwicklung und Herausforderungen des Forschungsfeldes, in: Mike S. Schäfer, Silje Kristiansen und Heinz Bonfadelli (Hrsg.): Wissenschaftskommunikation im Wandel: Herbert von Halem Verlag, S. 10–43.

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