Von Emma Lüppen.
Flirtversuche führen nicht immer zu einer positiven Reaktion – häufig treffen zwischenmenschliche Annäherungsversuche auf Widerstand. Besonders in Face-to-Face Interaktionen zeigt sich, dass Ablehnung nicht immer explizit und eindeutig formuliert wird. Stattdessen greifen Gesprächspartner*innen auf verschiedene Strategien zurück, um den Flirtversuch abzuwehren, ohne die soziale Harmonie zu gefährden oder unnötige Konfrontationen herbeizuführen.
Was ist Widerstand in der Gesprächsanalyse?
„Widerstand“ ist ein kommunikatives Phänomen, bei dem Interagierende von den erwarteten oder präferierten Handlungsverläufen abweichen, oder diese nicht erfüllen: etwa durch direkte Ablehnung, Verzögerung oder Umdeutung des Gesprächsziels.
Da in Gesprächen grundsätzlich eine Präferenz für Zustimmung herrscht, wird Widerstand oft abgeschwächt oder verzögert formuliert, um die soziale Harmonie zu wahren (vgl. Pomerantz 1984). Die Konversationsanalyse zeigt, dass Gespräche bestimmten Mustern folgen. Ablehnungen werden dabei selten direkt geäußert, sondern verteilen sich über mehrere Turns (Gesprächsbeiträge). Strategien wie Verzögerung, Ausweichen oder Gegenfragen können genutzt werden, um indirekten Widerstand zu leisten (vgl. Schegloff 2007: 59–91). Dabei unterscheidet man: Blocks unterbrechen die Interaktion aktiv, Stalls aber verzögern sie (vgl. Humâ, Stokoe 2023). Widerstand kann offen sein – durch Rechtfertigungen oder Anerkennung – oder verdeckt, zum Beispiel wenn durch Wiederholungen oder Umformulierungen von der erwarteten Antwort abgelenkt wird (vgl. Clayman 2013: 650 f.)

Drei Gesprächsbeispiele aus der Praxis
Im Folgenden werden drei kurze Gesprächsausschnitte analysiert, in denen Frauen auf Flirtversuche von Männern reagieren – meist höflich, aber ablehnend. Bei den Männern handelt es sich jeweils um selbsternannte „Datingcoaches“, die das Flirten demonstrieren und Ratschläge auf YouTube hochladen. Alle drei Frauen weisen die Annäherungsversuche der Männer ab, jede auf unterschiedliche Weise:
Nach einem angeregten Gespräch schlägt der erste Mann ein Treffen vor. Statt direkt zu antworten, macht die Frau zunächst ein Kompliment: „Ich find dich so sympathisch und cool.“ Sie verzögert die eigentliche Antwort und macht mehrfach Komplimente, erst nach wiederholter Nachfrage erklärt sie, dass sie jemand anderen datet. Sie beendet das Gespräch mit den Worten: „Du bist wirklich so cool, es tut mir so leid, du bistn richtig cooler Typ“. Auffällig ist, dass sie die Komplimente stark betont.
Hier wird deutlich, dass sie den Flirt ablehnen möchte, ohne ihren Gegenüber bloßzustellen. Ihre Sprache ist freundlich und positiv, durch Stalling und einer Kombination aus Kompliment und Entschuldigung wird der Widerstand indirekt, aber klar ausgedrückt.
Im zweiten Beispiel äußert die Frau ihre Ablehnung eher zurückhaltend. Der Mann führt das Gespräch und fragt sie nach einem Treffen, sie antwortet, dass sie leider gerade keine Zeit habe. Er hofft auf eine positivere Antwort und schlägt einen anderen Tag vor, sie sagt zögerlich „Ehh … also ist schwer“. Da der Mann ihre ausweichenden Antworten nicht als endgültige Abfuhr interpretiert, hakt er mehrfach nach, warum sie keine Zeit habe. Die Frau muss deshalb ihren Widerstand verstärken: „Ja ich hab jemand, deswegen“. Er akzeptiert nun die Ablehnung und äußert sein Bedauern, sie bleibt höflich und sagt: „Vielleicht sieht man sich nochmal“ und lacht nervös.
Hier gibt sich der Mann mit den Antworten nicht zufrieden und setzt die Frau so unter Druck. Sie wirkt unsicher und überfordert mit der Gesprächssituation und versucht sich zu erklären. Der Widerstand wird hier durch Blocks in mehreren Turns realisiert, die Ablehnung wird verzögert, da der Widerstand nicht direkt angenommen wird. Die Frau bleibt trotz des Missverständnisses höflich und wahrt somit die Harmonie des Gesprächs.
Das letzte Beispiel zeigt Widerstand durch Ausweichen. Der Mann spricht eine Frau im Gehen an und bittet sie stehenzubleiben. Sie folgt der Aufforderung zunächst und bleibt stehen, sagt aber direkt: „Ich muss schnell los“, wobei sie das „los“ langzieht. Er scheint das als verhandelbar anzusehen und macht ihr ein Kompliment. Sie unterbricht ihn, bedankt sich halbherzig und versucht wieder abzublocken: „Ja danke, aber ich muss wirklich ganz schnell los, ich bin schon den ganzen Tag unterwegs“, sie schiebt hier eine Begründung ein, um ihren Widerstand zu verstärken. Zuletzt entschuldigt sie sich knapp und wünscht einen schönen Tag bevor sie weiter geht.
Auffällig ist hier: am Ende jedes Turns geht ihre Stimme hoch, sie betont das letzte Wort, wodurch sie den Ausdruck ihrer Eile verstärkt. Sie nutzt Blocks, um den Gegenüber abzuweisen und lässt sich gar nicht erst auf ein Gespräch ein, muss ihren Widerstand aber mehrmals verstärken, da er in ihrer Eile nicht direkt Ablehnung deutet.
Fazit
In allen drei Beispielen lehnen die Frauen den Flirtversuch ab, aber jeweils auf unterschiedliche Weise. Die erste Frau verzögert ihren Widerstand mit positiven Kommentaren (Stalling), der Widerstand der zweiten Frau wird über mehrere Turns durch Blocks realisiert. Die dritte hingegen nutzt sehr direkten Widerstand und blockt den Versuch ein Gespräch aufzubauen ab.
Interessant ist: Die Männer nehmen die Abfuhr nicht sofort an, sie haken nach oder stellen Rückfragen. Dadurch müssen die Frauen ihren Widerstand mehrfach wiederholen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Widerstand in Flirtsituationen selten laut oder direkt ist. Meist wird er indirekt und über mehrere Gesprächsbeiträge formuliert. Die Frauen bleiben dabei höflich und Konflikte werden vermieden. Es wird gezielt Sprache, Prosodie und Intonation genutzt, um sich abzugrenzen, Widerstand kann also auch leise, aber bestimmt sein.
Literaturverzeichnis
Humă, Bogdana; Stokoe, Elizabeth (2023): Resistance in Business-to-Business “Cold” Sales Calls, Journal of Language and Social Psychology, 42(5–6), S. 630–652.
Pomerantz, Anita (1984): Agreeing and Disagreeing with Assessments: Some Features of Preferred/Dispreferred Turn Shapes. In M. Atkinson, & J. Heritage (Eds.), Structures of Social Action: Studies in Conversation Analysis (pp. 57-101). Cambridge: Cambridge University Press.
Schegloff, Emanuel A. (2007): Sequence Organization in Interaction: A Primer in Conversation Analysis. Cambridge: Cambridge University Press.
Authentisch Männlich (2022): Live-Beispiel: So gehst Du richtig mit Körben um – Frauen Ansprechen Live [Youtube], https://www.youtube.com/watch?v=0ZS2V23gU6E.
Frickert, Marquardt (2019): Flirtcoach kassiert KÖRBE: Wie du mit Abfuhren umgehen musst! [Youtube], https://www.youtube.com/watch?v=tP8uaxru3Cc.
VV Dating (2024): Flirt-Coaches kassieren eklige Körbe: Lerne aus unseren Fehlern! (+Live-Flirts) [Youtube], https://www.youtube.com/watch?v=A39Zfb5N9YM.